Pflegegrad beantragen: So geht’s

Ein Pflegegrad bildet die Grundlage für finanzielle und praktische Unterstützung durch die Pflegekasse. Er ermöglicht den Zugang zu Pflegegeld, ambulanten Pflegediensten, Entlastungsleistungen sowie weiteren Hilfsangeboten. Die Beantragung eines Pflegegrades ist ein wichtiger Schritt für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen. Da der Prozess mit verschiedenen Anforderungen verbunden ist, sollte er sorgfältig vorbereitet werden.

Der Ablauf besteht aus mehreren Phasen: Antragstellung, Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD oder Medicproof bei Privatversicherten), Einstufung durch die Pflegekasse und gegebenenfalls Widerspruch bei einer Ablehnung oder zu niedrigen Einstufung. Eine gründliche Vorbereitung kann dabei helfen, Verzögerungen und Fehleinschätzungen zu vermeiden.

Antragstellung bei der Pflegekasse

Der Antrag auf einen Pflegegrad muss bei der Pflegekasse eingereicht werden. Diese ist der jeweiligen Krankenkasse der pflegebedürftigen Person angeschlossen. Die Antragstellung kann formlos telefonisch, per E-Mail oder schriftlich erfolgen. Nach Eingang des Antrags sendet die Pflegekasse ein offizielles Formular zu, das ausgefüllt und unterschrieben zurückgesendet werden muss. Erst nach der Rücksendung beginnt das eigentliche Verfahren.

Pflegebedürftige selbst, Angehörige oder gesetzliche Betreuer mit einer entsprechenden Vollmacht können den Antrag stellen. Sobald der Antrag eingegangen ist, gilt das Datum der Antragstellung als Stichtag für die späteren Leistungen. Dies bedeutet, dass nach der Bewilligung rückwirkend ab dem Datum des Antrags Leistungen gezahlt werden können.

Begutachtung durch den Medizinischen Dienst

Nach Eingang des Antrags beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MD) oder bei Privatversicherten den Dienst Medicproof mit einer Begutachtung. Diese findet in der Regel im häuslichen Umfeld oder in der Pflegeeinrichtung statt. Seit der Corona-Pandemie sind in Einzelfällen auch telefonische oder videobasierte Begutachtungen möglich.

Die Einstufung erfolgt nach einem wissenschaftlich fundierten Punktesystem – dem Neuen Begutachtungsassessment (NBA). Dieses bewertet die Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person in sechs verschiedenen Bereichen:

    1. Mobilität: Fähigkeit, sich innerhalb der Wohnung zu bewegen und die Körperhaltung zu verändern.
    2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Orientierung, Gedächtnisleistung und Verständigung.
    3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Ängste, Aggressivität, nächtliche Unruhe.
    4. Selbstversorgung: Fähigkeit, sich selbst zu waschen, anzuziehen und zu essen.
    5. Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Belastungen: Medikation, Arztbesuche, Verbandswechsel.
    6. Alltagsleben und soziale Kontakte: Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und selbstständige Freizeitgestaltung.


Je mehr Unterstützung in diesen Bereichen benötigt wird, desto höher fällt die Punktzahl aus, die am Ende über den Pflegegrad entscheidet.

Vorbereitung auf die Begutachtung

Um eine realistische Einstufung zu erhalten, sollte der tatsächliche Pflegeaufwand gut dokumentiert sein. Ein Pflegetagebuch kann dabei helfen, den individuellen Pflegebedarf über mehrere Wochen hinweg festzuhalten. In diesem sollten alle notwendigen Hilfestellungen, Zeiten und besonderen Herausforderungen festgehalten werden. Auch ärztliche Berichte oder Stellungnahmen können die Einstufung beeinflussen.

Ein häufiger Fehler besteht darin, dass Pflegebedürftige während der Begutachtung versuchen, sich möglichst selbstständig zu zeigen. Dies kann dazu führen, dass der Pflegebedarf unterschätzt wird. Eine realistische Darstellung der Alltagssituation ist daher entscheidend.

Einstufung des Pflegegrades

Auf Basis der Begutachtung erstellt der MD oder Medicproof ein Gutachten und gibt eine Empfehlung zur Einstufung in einen Pflegegrad ab. Die endgültige Entscheidung trifft die Pflegekasse, wobei sie in der Regel den Vorschlag des Gutachters übernimmt.

Es gibt fünf Pflegegrade, die sich nach dem Grad der Selbstständigkeit richten:

      • Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit (12,5 – unter 27 Punkte)
      • Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung (27 – unter 47,5 Punkte)
      • Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung (47,5 – unter 70 Punkte)
      • Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung (70 – unter 90 Punkte)
      • Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung mit besonderen Anforderungen an die Pflege (ab 90 Punkte)

Wenn Sie näheres zu der Bedeutung der einzelnen Pflegegrade erfahren möchten, klicken Sie bitte hier.

Die Pflegekasse muss innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Antragseingang eine Entscheidung treffen. Liegt die pflegebedürftige Person im Krankenhaus oder einer Reha-Einrichtung, muss die Begutachtung innerhalb von einer Woche erfolgen.

Häufige Fehler bei der Antragstellung

Viele Anträge auf einen Pflegegrad werden abgelehnt oder zu niedrig eingestuft, weil bestimmte Aspekte der Pflegebedürftigkeit nicht ausreichend dokumentiert wurden.

Häufige Fehler sind:

  • Fehlende oder unvollständige Angaben im Antrag
  • Keine detaillierte Vorbereitung auf die Begutachtung
  • Unterschätzung psychischer oder kognitiver Beeinträchtigungen
  • Übertriebene Selbstständigkeit während der Begutachtung
  • Nicht rechtzeitiges Einlegen eines Widerspruchs bei Ablehnung

Widerspruch bei Ablehnung oder zu niedriger Einstufung

Wird der Antrag abgelehnt oder ein zu niedriger Pflegegrad vergeben, kann innerhalb von einem Monat Widerspruch eingelegt werden. Ein formloses Schreiben reicht aus, allerdings sollte eine detaillierte Begründung beigefügt werden. Hier können auch ärztliche Atteste oder eine Stellungnahme eines Pflegedienstes hilfreich sein.

Falls der Widerspruch ebenfalls abgelehnt wird, besteht die Möglichkeit einer Klage vor dem Sozialgericht. Dies kann sinnvoll sein, wenn die Pflegekasse den tatsächlichen Pflegebedarf nicht korrekt erfasst hat.

Unterstützung im Antragsprozess

Die Beantragung eines Pflegegrades kann herausfordernd sein, insbesondere wenn Unsicherheiten über den genauen Ablauf bestehen. Pflegeberatungsstellen, Pflegedienste oder Sozialverbände bieten Unterstützung, indem sie bei der Antragstellung helfen, auf die Begutachtung vorbereiten und Widerspruchsverfahren begleiten. 

Auch nach der erfolgreichen Antragstellung bleiben Pflegedienste an Ihrer Seite – etwa durch die gesetzlich geregelten Beratungseinsätze. Was es dabei zu beachten gibt, lesen Sie im Beitrag zur ,,Pflegeberatung nach §37 Abs. 3 nach SGB XI“.

Eine sorgfältige Vorbereitung und eine realistische Darstellung der Pflegesituation tragen entscheidend dazu bei, eine angemessene Einstufung zu erhalten. Da die Leistungen rückwirkend ab dem Antragsdatum gewährt werden, lohnt es sich, den Antrag frühzeitig zu stellen und sich bei Bedarf Unterstützung zu holen.

Ihr Kontakt zu uns

Sie sind sich unsicher, welcher Pflegegrad für Ihre Situation passend ist oder wie der Antrag gestellt werden muss?
Melden Sie sich gerne direkt persönlich bei uns. Wir unterstützen Sie dabei, den Antrag korrekt zu stellen und bestmöglich auf die Begutachtung vorbereitet zu sein.